„Was ein kraftvoller Abend!“ Mit diesen Worten schloss der Vorsitzende der FDP Haiger, Carsten Seelmeyer, die Veranstaltung in Arno’s Eventgastronomie. Gut 70 Gäste aus Industrie, Handel, Handwerk, Gewerbe und nicht zuletzt der Schulen waren der Einladung der Haigerer liberalen gefolgt. Anlass war ein Besuch von Bettina Stark Watzinger, der Ministerin für Bildung und Forschung (FDP), MdB und gleichermaßen Landesvorsitzende der hessischen Liberalen. Im sehr persönlichen Austausch mit der heimischen Wirtschaft, den Schulen und der Bürgerschaft ging es ganz konkret um die richtigen Weichenstellungen für Deutschland und damit ebenso um einen der stärksten Wirtschaftsstandorte in Hessen, den Lahn Dill Kreis und damit auch in Haiger.
„Vor allem aber wollen wir uns im Nordkreis an der Dill sichtbarer machen und für unseren Standort werben, ja auch streiten“, so der stellvertretende Vorsitzende der FDP Lahn Dill Seelmeyer. Ganz konkret gehe es um einen haltbaren Wirtschaftsstandort und dazu gehöre eben auch eine zukunftsorientierte Verkehrsinfrastruktur ohne gesperrte Brücken, so Seelmeyer weiter, welcher nicht zuletzt in seiner Funktion als Vorsitzender des Landesfachausschuss Verkehr (FDP Hessen) zur Sache einleitend Stellung bezog. Es brauche eben nicht nur eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, sondern eine Umkehr im Straßenbau – Bestandsschutz und Neubau notwendiger Straßenverkehrsinfrastruktur seien dabei gleichermaßen zu berücksichtigen.
Eine Steilvorlage für das Einstiegsreferat der Ministerin, welche Deutschlands Baustellen auf vielen Ebenen gemeinsam mit Finanzminister Lindner schließen will und zwar „technologieoffen“, so Stark Watzinger! Mit Blick auf die Schulen fragte die Bundesministerin einen der anwesenden Pädagogen Alexander Schüler: „Kann man Sie buchen?“ Der Lehrer der Haigerer Johann-Textor-Schule hatte soeben das Projekt „Schule Plus“ vorgestellt – eine Kooperation mit über 60 Unternehmen, die Jugendlichen einen tiefen Einblick in Ausbildungsberufe gibt. „Das System funktioniert“, betonte der Pädagoge. „Wir machen das trotz der Vorgaben, die wir haben.“
Damit rannte er am Donnerstag in Haiger offene Türen ein. Über allem schwebte eine Frage: Was kann Deutschland gegen den Fachkräftemangel tun?
„Der Fachkräftemangel bedroht unseren Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit des Landes“, betonte die FDP-Politikerin aus Bad Soden im Taunus, die seit 2017 Bundestagsabgeordnete ist. Die Ministerin verwies auch auf Zahlen einer Umfrage, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag im Januar veröffentlicht hatte: Demnach sind in Deutschland zwei Millionen Stellen unbesetzt. Stark-Watzinger forderte ein „Umdenken in unserer Gesellschaft“. Berufliche Ausbildungen müssten einen hohen Stellenwert haben. „Sie bilden tolle Lebenswege und bieten gute Verdienstmöglichkeiten.“ Das müsse man jeden Tag wiederholen, damit sich wieder mehr junge Menschen dafür interessieren. Aus ihrer Sicht brauche es aber auch „mutige Reformen“ – und einen „drastischen Kurswechsel in der Arbeitsmarkt-, in der Renten- und der Migrationspolitik“. „Wir müssen uns verabschieden von der jahrzehntelangen Illusion, dass wir kein Einwanderungsland sind“, führte die Liberale aus. Stattdessen seien „Arbeits- und Innovationskraft“ aus dem Ausland „unverzichtbar“.
„Paradigmenwechsel“ in der Bildungspolitik
Sie warb dafür, das Thema intensiv anzugehen: Es gelte, „offensiv in den weltweiten Wettbewerb um diese Fachkräfte, um die klügsten Köpfe und die fleißigsten Hände einzutreten“. Diese sollten, so Stark-Watzinger, „schneller und unbürokratischer“ nach Deutschland einreisen und dort arbeiten können. Das betreffe keineswegs nur akademische Berufe, sondern gerade auch solche im sozialen Bereich, in der Pflege, im Handwerk oder in anderen technischen Berufen.
Es sei wichtig, zunächst auch englisch als Sprache zu akzeptieren. Gegenüber „Menschen, die anpacken wollen“ solle eine „unmissverständliche Botschaft“ ausgehen, hob die Bundesministerin hervor. „Wir müssen ihnen zeigen, dass sie kommen sollen, dass wir die Vielfalt akzeptieren – und, dass wir ein weltoffenes Land sind.“ Damit Deutschland ein „Magnet für Talente dieser Welt“ werde, dürfe es aus ihrer Sicht keine Steuererhöhung geben. Gleichzeitig müsse man die Einwanderung „gut managen und Klarheit schaffen“.
Um dauerhaft etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun, müsse man frühzeitig im Bildungsbereich ansetzen, sagte Stark-Watzinger. 50.000 Schüler verließen die Schule jedes Jahr ohne Abschluss. Am Ende der vierten Klasse hätten über 20 Prozent nicht mehr die Mindestkompetenzen im Lesen, Rechnen und Schreiben. Alle Kinder bräuchten aber den „Pass in die Zukunft“. Sie verwies auf das „Startchancen-Programm“, das im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP vereinbart ist. Damit sollen 4000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil an sozial benachteiligten Schülern gefördert werden. Geplant ist rund eine Milliarde Euro pro Jahr.
„Wir wollen in genau die Schulen gehen, in denen die Kinder am wenigsten Unterstützung zu Hause haben“, beschrieb die Bundesministerin das Programm, das 2024 starten soll. Sie warb für einen „Paradigmenwechsel“: Die Politik dürfe sich nicht für Milliarden-Ausgaben loben, sondern müsse sich daran messen lassen, welche Kompetenzen bei den jungen Menschen ankämen. Und Felix Heusler, der Präsident der Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill sagte: „Der Zuzug alleine wird das Thema Fachkräftemangel nicht lösen.“ Stattdessen sei „ein großes Paket an Maßnahmen“ erforderlich.
Carsten Seelmeyer, Vorsitzender der FDP Haiger, ging abschließend beispielhaft auf den gefährdeten Ausbildungsstandort an der Dill im Bereich des Zerspanungshandwerks und des Friseurhandwerks ein und betonte: „Der Nordkreis muss sichtbar bleiben. Dafür kämpfen wir jeden Tag.“
(QUELLE: Auszug Pressebericht VRM Redakteur Christian Hoge)